Auf den Spuren der Schaffenskraft der Ahnen

Landesweites ungarndeutsches Lehrpfadnetz um einen thematischen Weg in Seksard erweitert

Nach Schomberg, Sanktiwan, Tarian, Feked, Nadasch, Band, Badeseck, Tscholnok, Baje, Mohatsch, Petschwar, Bogdan und Moor wurde auch der neueste ungarndeutsche Lehrpfad in Seksard der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zur feierlichen Übergabe des thematischen Weges mit dem Motto „Auf den Spuren der Schaffenskraft unserer Ahnen” kam es am 28. Januar. Durch das Begehen des neuen Themenwegs erschließen sich Geschichte, Kultur, Sprache, Werte und Besonderheiten der im Komitatssitz der Tolnau lebenden ungarndeutschen Gemeinschaft. Die Inhalte, die auf Lehrpfadtafeln, interaktiven Elementen und Begleitbroschüren zum Leben erweckt wurden, wurden von der örtlichen deutschen Selbstverwaltung, Institutionen, Zivilorganisationen und Freiwilligen mit Hilfe einer Expertin gemeinsam erarbeitet. Das Projekt konnte mit der finanziellen Unterstützung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat durch die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen durchgeführt werden.

Anna Farkas begrüßte die Gäste im Babits-Mihály-Kulturzentrum. Die Vorsitzende der Seksarder Deutschen Nationalitätenselbstverwaltung brachte Ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass die Anlage, die das kulturelle Angebot der Stadt erweitern und ihre touristische Attraktivität steigern soll, trotz Schwierigkeiten fertiggestellt werden konnte: „Ich bin davon fest überzeugt“, so die Vorsitzende, „dass dieser Lehrpfad ein würdiges Denkmal der ungarndeutschen Kultur und Identität in Seksard ist. Der thematische Weg soll zum Stolz der Stadt werden. Touristen, Schulklassen und die Einwohner der Stadt selbst können durch den Besuch der sieben Stationen einen Einblick in unsere Geschichte, Traditionen und Kultur gewinnen. Und ich glaube, wenn die in der Stadt lebenden Menschen selbst unsere Werte besser kennen lernen, wird dadurch die ungarndeutsche Identität und das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Gemeinschaft gestärkt. Ich hoffe, dass es uns gelungen ist, Werte zu finden, auf die wir stolz sein können. Und wenn wir diese Werte in dieser unruhigen Welt an die nächste Generation weitergeben können, dann hat es sich gelohnt, diese Aufgabe zu übernehmen.“

Anna Farkas unterstrich, dass es sich im Falle von Seksard nicht nur um eine Stadt der Trauben und des Weines handele, sondern auch um einen Komitatssitz mit ungarndeutsch-geprägter gesellschaftlicher und kultureller Vielfalt. Die Deutschen der Stadt hätten sich in die ungarische Gesellschaft integriert, gleichzeitig aber ihre ungarndeutsche Identität bewahrt. Die Mannigfaltigkeit, die sie auszeichnete, sei zu ihrer Stärke geworden. Die Deutschen von Seksard nähmen nämlich mit ihrer besonderen städtisch-bürgerlichen Lebensweise, ihrem ausgeprägten Gemeinschaftssinn und ihrer Arbeitskultur eine Art Vorbildfunktion ein. Unternehme man einen Spaziergang in der Stadt – so die Vorsitzende –, treffe man auf zahlreiche Spuren, die die Ungarndeutschen hinterlassen hätten: Vielzählige Denkmäler und Gebäude zeugten vom Schaffen einstiger und derzeit lebender Persönlichkeiten ungarndeutscher Abstammung, das Antlitz der Innenstadt habe die Tätigkeit mehrerer deutscher Fachleute geprägt. Auch die jahrhundertelangen zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Bürgern der Stadt und den Bewohnern der umliegenden Ortschaften hätten wesentlich zu dem zu Recht guten Ruf der Stadt beigetragen. All dies werde an den 7 Stationen des Lehrpfades reichlich illustriert und interessant dargestellt.

Richárd Tircsi, Leiter der Hauptabteilung des für Kirchen- und Nationalitätenbeziehungen verantwortlichen Staatssekretariats des Amtes des Ministerpräsidenten, betonte in seiner Ansprache, dass das vor acht Jahren von der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen ins Leben gerufene Netz ungarndeutscher Themenwege eine sehr gute Initiative sei, weil dessen Anlagen das schwäbische Erbe der jeweiligen Siedlung in kurzer, aber informativer Form darstellten: „Dies kann vielen Menschen helfen zu erkennen, dass in ihren Familien und Gemeinden immer noch Menschen ungarndeutscher Herkunft leben, und dass beispielsweise die Kinderlieder, die sie zu Hause hören, die Festtagsbräuche und Menüs, das Haus, in dem sie wohnen, oder die Medikamente, die sie kaufen, ungarndeutschen Menschen, Erfindern, Künstlern, Geschäftsleuten oder Bauern zu verdanken sind.“

„2014 haben wir diese ungarnweit einzigartige Initiative der Lehrpfade gestartet” – berichtete Ibolya Hock-Englender, die Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen: „Als Ziel haben wir dabei die dauerhafte Stärkung der ungarndeutschen Identität vor den Augen gehabt. Unser Vorhaben war damals – und das ist es auch heute noch –, anhand dieses konkreten Projekts dem Gemeinschaftsleben vor Ort Schwung zu geben, wobei etwas Wertvolles und Handgreifliches entsteht. Von vielen Ideen ist damals die Wahl darauf gefallen, dass in unseren Ortschaften interaktive Lernpfade errichtet werden sollen: Ausgebaute Themenwanderwege, die stationenartig durch die Ortschaft führen und Informationen über Vergangenheit und Gegenwart, über öffentliche Gebäude, Bräuche, Dorf- oder Stadtgeschichte, wichtige Persönlichkeiten der Ungarndeutschen in der Gemeinde vermitteln. Den Inhalten, die diese Lehrpfade darstellen, sollen immer Hintergrundmaterialien und Quellen zugrunde liegen, die in dem jeweiligen Ort selbst gesammelt, systematisiert und bearbeitet werden. Zwei Sachen waren uns sehr wichtig: dass der entstehende Lehrpfad eine Bindung zu den Ungarndeutschen des gegebenen Dorfes oder der Stadt darstellen soll, und dass es nach Projektende keinesfalls einschlafen darf. Die neue Anlage soll zum Stolz der Ortschaft werden, das Zustandebringen soll auf gemeinnützigem Engagement beruhen. Während der Recherchearbeiten sollen die Mitwirkenden viel Neues dazulernen und wertvolle Informationen über ihre Gemeinde ans Tageslicht bringen.“

Auch Dr. Michael Józan-Jilling ergriff auf der Abschlussveranstaltung das Wort. Der für soziale Angelegenheiten verantwortliche Beirat der LdU würdigte die Leistungen von Frau Farkas und des von ihr geleiteten Teams, und betonte, dass es zwar ein holpriger Weg von der Idee bis zur Verwirklichung gewesen sei, doch das Endergebnis habe die beharrliche Arbeit wettgemacht.

László Kővári, Vertreter der Stadtverwaltung von Seksard, würdigte das Projekt und seine Durchführenden. Die ungarndeutsche Gemeinschaft habe – so Kővári – in vielen Bereichen immer eine Vorreiterrolle gespielt, sich aber gleichzeitig gut in das ungarische Umfeld integriert. Er betonte, dass die örtliche deutsche Gemeinde den neuen Lehrpfad verdient habe und dass es für alle Altersgruppen wichtig sei, etwas von den Ereignissen zu erfahren, die in Seksard zwischen der ungarischen und der deutschen Bevölkerung stattgefunden haben. Er betonte, dass die Existenz der örtlichen deutschen Selbstverwaltung darauf beruhe, dass es immer wieder begeisterte Menschen gebe, die versuchen, diese Kultur und diese Traditionen an die Nachkommen weiterzugeben.

Vor der Besichtigung des Themenweges stellte Expertin Dr. Krisztina Kemény-Gombkötő die inhaltlichen Knotenpunkte des Themenweges vor: „Der Lehrpfad stellt die Schaffenskraft unserer Ahnen an sieben Stationen vor. An der ersten Station wird die Geschichte der Seksarder Deutschen thematisiert. An der zweiten die Spur des bürgerlichen Lebens. Die dritte Tafel veranschaulicht die Spuren der Handwerker und Zünfte. An der vierten wird die Geschichte der St. Johann und Paul Kapelle sowie der barmherzigen Schwestern lebendig. Die fünfte Station wurde der Freundschaft zwischen Baron Anton Augusz und Franz Liszt gewidmet. Die sechste der Volkskultur und der bürgerlichen Kultur, insbesondere der deutschen Bühne. Die letzte Station zeigt uns, wie die deutschen Kolonisten die Weinherstellungstraditionen auf dem Seksarder Weinanbaugebiet beeinflussten. Diese Inhalte sind die Themen, die für die Seksarder Deutschen von großer Bedeutung sind und somit als Teil ihrer Erinnerungskultur zu identitätsbildenden Elementen werden.“

Die Festveranstaltung wurde durch die Auftritte des örtlichen Jugendblasorchesters, des deutschen Nationalitätenchors „Mondschein“ und Eszter Töttős am Akkordeon umrahmt. Das Programm endete mit der Besichtigung des Themenwegs.

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