Auf den Spuren der tausendguten Erbschaft

UNGARNDEUTSCHER LEHRPFAD IN MOOR ÜBERGEBEN

Moor, die Stadt des Tausendgut ist glücklicher Besitzer des jüngsten ungarndeutschen Lehrpfades. Trotz des Regens und der Kälte wurde der Themenweg, der im Heiligen-Stephan-Park beginnt und im Park des Schlosses Lamberg endet, am Nachmittag des 10. Dezember vor zahlreichen Besuchern übergeben. Die Erstellung des Lehrpfades war ein Projekt der Ungarndeutschen Selbstverwaltung Moor, das mit der finanziellen Unterstützung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat durch die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen durchgeführt werden konnte. Mittlerweile gibt es landesweit 13 solcher Themenwege: 12 davon befassen sich mit der Kultur, Geschichte und Gegenwart der im jeweiligen Ort lebenden Deutschen, und einer – der in Baja – gibt einen Überblick über die Werte der gesamten ungarndeutschen Volksgruppe. Die nur wenige hundert Meter langen Pfade erfreuen sich großer Beliebtheit, und immer mehr Ortschaften machen es sich zur Aufgabe, die Werte der Deutschen vor Ort durch die ehrenamtliche Arbeit lokaler ungarndeutscher Organisationen und Einzelpersonen zu erforschen und der Öffentlichkeit in Form von Tafeln, Begleitheften und interaktiven Installationen zu präsentieren.

Gábor Törő, Parlamentsabgeordneter der Region, begrüßte als erster die Gäste bei der feierlichen Übergabe des Moorer Lehrpfads. In seiner Rede betonte er, dass er neben drei namhaften gebürtigen Moorern – dem verstorbenen dreimaligen Ministerpräsidenten Sándor Wekerle, dem ehemaligen berühmten Tierarzt Dr. Ágoston Zimmermann und dem Schriftsteller und Dichter Antal Radó – auf eine lokale Gemeinschaft ganz besonders stolz sei: „Das ist die hiesige ungarndeutsche Gemeinschaft, deren Mitglieder die Moorer Wein- und Traubenkultur geschaffen haben, den schwäbischen Fleiß verkörpern und seit dem 18. Jahrhundert als Steuerzahler den größten Beitrag geleistet, und gleichzeitig an der Entwicklung der Stadt Moor mitgewirkt haben.“

Eva Waldmann-Baudentisztl, stellvertretende Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen hob in ihrer Grußansprache hervor, dass die LdU 2014 in ihrer Strategie die dauerhafte Stärkung der ungarndeutschen Identität initiiert hätte. Als diesbezügliches konkretes Projekt in den einzelnen Gemeinschaften vor Ort sei die Erstellung von Lehrpfaden definiert worden: „Lehrpfade sind Wanderwege, die durch die Ortschaft führen und auf den Tafeln Informationen um ein Thema herum, über Vergangenheit und Gegenwart, über örtliche Gebäude, Bräuche, Dorfgeschichte, wichtige Persönlichkeiten der Ungarndeutschen, oder – wie hier in Moor – typische Arbeitsprozesse in der Gemeinde anbieten. Eine gründliche Forschung nach Hintergrund- und Quellmaterialien ist der Anfang der Vorbereitung eines Lehrpfades. Diese werden dann fachkundlich bearbeitet, formuliert und letztendlich auf den Tafeln festgehalten.“  

„Mit diesem Themenweg wurde ein weiteres Juwel der deutschen Nationalität von Moor geschaffen“, formulierte Bürgermeister Péter Fenyves, der all jenen seinen Dank aussprach, die in irgendeiner Weise dazu beigetragen haben, dass dieser Lehrpfad Einheimischen und Besuchern von Moor die Möglichkeit gibt, bei einem Spaziergang durch die Straßen einen sehr wichtigen Teil der Geschichte der Stadt kennenzulernen.

Franz Erdei, Vorsitzender der Ungarndeutschen Selbstverwaltung Moor, bedankte sich bei allen, die an der Gestaltung des Lehrpfades mitgewirkt haben. Er betonte, dass der thematische Weg eine wichtige Aufgabe hätte: „Denjenigen, die durch unsere Straßen und Parks spazieren, zeigt er unsere Geschichte, unsere Traditionen und auch, dass die ungarische Kultur ohne die unsere nicht vollständig ist. Moor wird von vielen als eines der Zentren der ungarndeutschen Kultur angesehen. Wir sind stolz darauf, dass die älteren Mitglieder unserer mehr als 10 Vereine unsere kulturellen Traditionen an die Jüngeren weitergeben und dass wir Kindern und Jugendlichen vom Kindergarten bis zur Mittelschule die Möglichkeit bieten können, nicht nur die deutsche Sprache zu erlernen, sondern auch die Kultur unserer Nationalität kennenzulernen.“  

Als Experte wirkte an der Erstellung des Lehrpfades Gábor Werner mit. Es sei keine leichte Aufgabe gewesen – so der Experte –, aus der Schwäbischen Türkei stammend und in Fünfkirchen lebend das Projekt zu begleiten: „Nicht nur die Entfernung war manchmal ein Hindernis, auch die beträchtlichen Unterschiede verursachten mehrmals ein Kopfzerbrechen. Doch über persönliche Treffen hinaus konnten wir uns mithilfe der modernen Technik im Online-Raum regelmäßig begegnen und austauschen. Frühere Bücher und überlieferte Texte über die Moorer Deutschen beschleunigten unser Schaffen. Zum Glück hatten die Moorer eine engagierte, tatkräftige Projektleiterin in der Person von Angela Zsilvölgyi, die die Arbeit gewissenhaft begleitete und vorantrieb. Sie stellte eine ausgezeichnete Mannschaft zusammen. Die Ausarbeitung der einzelnen Stationen wurde jeweils einer Person zugeteilt, die das Sammeln von Materialien, die Anfertigung der Tafel- und Begleitheftinhalte koordinierte. Wir hoffen, dass das Ergebnis sowohl inhaltlich als auch in seiner bildlichen Wahrnehmung viele ansprechen wird und die Lehrpfadbesucher daraus profitieren.“

Vor dem Begehen des neu übergebenen und von Pfarrer Tamás Ambrózy und Pastor Péter Veres gesegneten Lehrpfades gab Projektkoordinatorin Angela Zsilvölgyi einen kurzen Einblick in die Arbeit der vergangenen Monate und Jahre, und erklärte durch seine Symbolik den vor allem auf die Recherchen von Alois Schwartz bauenden Inhalt des Themenwegs: „Ich habe ein Team mit etwa 20 Personen gegründet, mit dem Ziel, den ungarndeutschen Werten und dem angesammelten Wissen über überlieferte Schätze mithilfe der Moorer ungarndeutschen traditionspflegenden Vereinen, Institutionen und weiteren engagierten Personen ein Andenken zu stellen. Das Motto unseres Lehrpfades lautet: „Auf den Spuren unserer tausendguten Erbschaft“. Zu unserem Leitmotiv haben wir den Weinstock gewählt. Das Leben der Deutschen in Moor ähnelt dem der Weinberge, die die Stadt symbolisieren. Die Deutschen, die sich hier ansiedelten, schlugen Wurzeln. Die gepflanzten Weinreben entwickelten sich zu starken, lebensspenden Weinstöcken heran. Die Menschen lebten vom Weinanbau und glaubten daran, dass das Weingut ihnen ein Haus bieten könnte, das sie ihr Zuhause nennen könnten. So wie die Pflanze Blätter treibt, bauten sie ihre Häuser und Keller aus dem Ertrag der Trauben und des Weins. So wie sich die Rebe bei stürmischem Wetter mit den Ranken an die Pfähle klammert, so fanden die Menschen in den Kapuzinern eine wirtschaftliche und geistige Stütze. So wie das Wachstum einer Pflanze zu ihrer Blüte führt, so konnte, so kann die Gemeinschaft manche Größen hervorbringen, die zu bedeutenden Persönlichkeiten in ganz Ungarn wurden. Neben ihnen – wie die Frucht aus der Blume – prägten die besondere Gastfreundschaft, die Gastronomie, die zurückhaltende Kleidung und die Kultur der Moorer Schwaben ihr Leben. So wie die Pflanze ständige Pflege, die Wurzel ständige Nahrung braucht, und so wie in den Weinbergen oft Maische zurückgegraben wurde, weil nichts verschwendet werden darf, so müssen wir, die Nachkommen von heute, zu unseren Traditionen zurückfinden und sie lebendig halten, damit wir weiter- und überleben können.“

Die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen ist sehr stolz darauf, dass es neben dem Landeslehrpfad in Baja bereits 12 Ortslehrpfade gibt, die mit freundlicher Unterstützung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat durch die LdU errichtet werden konnten. Diese thematischen Wege wurden überall zum Stolz der Ortschaft, ihr Zustandebringen beruht auf gemeinnützigem Engagement. Von außen sind sich die Lehrpfade sehr ähnlich: die Schilder, das Gerüst, und dass sie jeweils nach einem bestimmten Leitgedanken aufgebaut sind. Dies soll darauf hinweisen, dass sie Teil eines Netzes sind. Inhaltlich sind sie jedoch vollkommen verschieden, denn sie veranschaulichen die Eigenheiten der gegebenen Ortschaft, und dadurch auch die besondere Vielfalt der ungarndeutschen Gemeinschaft.  

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