Ibolya Hock-Englender: „Das Wichtigste ist, dass wir zusammenhalten“ – 24. Festgala am Tag der Ungarndeutschen Selbstverwaltungen

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Die aus dem ganzen Lande angereisten Gäste begrüßte die Vorsitzende der LdU. „Es ist 25 Jahre her, dass die Nationalitätenselbstverwaltungen in Ungarn entstanden sind, und wir alle große Hoffnungen auf die Entfaltung unserer politischen und kulturellen Autonomie gesetzt haben.“, betonte in ihrer Grußansprache Ibolya Hock-Englender. „Die erste Landesgala vor 24 Jahren war ein emotionaler Höhepunkt in unserer neuesten Geschichte und zeigte aller Welt unseren Willen zum Fortbestehen. Das Selbstverwaltungswesen hat zweifelsohne unsere Präsenz gestärkt und Schwung in unsere Tätigkeit gebracht.“ Die LdU-Chefin wies in ihrer Rede auf Ergebnisse und Schlussfolgerungen bezüglich der Wahl der Nationalitätenselbstverwaltungen 2019 hin, und verwies auch auf die für 2020 gesetzten Ziele: „Wir möchten den von den lokalen deutschen Selbstverwaltungen getragenen Institutionen mehr Unterstützung bieten, das Stipendienprogramm fortführen, im Bildungsbereich werden neue Curricula geschrieben. Wir nehmen eine stärkere Förderung der Jugendarbeit vor, die Vereine und Kulturgruppen können nach wie vor auf uns zählen. Es mag sein, dass nicht alle unserer Erwartungen und Vorhaben in Erfüllung gehen, dass wir trotz vieler Bemühungen Misserfolge einstecken müssen, das Wichtigste für mich ist aber, dass wir zusammenhalten, dass wir den Willen, etwas erreichen zu wollen in dem Anderen schätzen, dass wir in diesem Sinne handeln.“

„Feierlichkeiten, wie diese heute, gehören zu den ausgesprochen angenehmen Aufgaben meines Berufs“, gestand in ihrer Festrede die Botschafterin der Republik Österreich in Ungarn. Mag. iur Elisabeth Ellison-Kramer unterstrich in Anbetracht der aktuellsten Wirtschaftskennzahlen die seit Jahren guten bilateralen Beziehungen in den Bereichen des Handels, des Tourismus‘, aber auch der Kultur und der Politik, und betonte die Wichtigkeit der Achtung und des Schutzes der Minderheiten: „Minderheiten stellen eine Bereicherung für jede Gesellschaft dar, die durch ihre eigene Kultur die Kultur der Gesamtgesellschaft prägen sowie offener, toleranter und vielfältiger machen. Die deutschsprachige Volksgruppe in Ungarn hatte einen wesentlichen Einfluss auf die ungarische Geschichte und Kultur. Seit der ungarischen Staatsgründung im Jahr 1000 prägten die deutschsprachigen Städte, Dichter, Bürger, Handwerker, Geistlichen, Bauern die Geschicke Ungarns. Um dieses kulturelle Vermächtnis weiterzutragen und zu fördern, ist die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen die Dachorganisation von hunderten lokalen Selbstverwaltungen, Kulturvereinen und Vereinen der deutschen Minderheit in Ungarn. An dieser Stelle möchte ich mich für die ausgesprochen gute Arbeit und Zusammenarbeit bedanken. Für die kulturelle Vielfalt in Ungarn ist Ihre Arbeit von unglaublicher Bedeutung!“

Die Ungarndeutschen seien ein verlässiger Partner und eine starke Stimme für deutsche Minderheiten in Europa – unterstrich in seiner Ansprache der Vorsitzende der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN). Loránt Vincze würdigte die Rolle Otto Heineks, des gewesenen LdU-Vorsitzenden in dem Zustandebringen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten innerhalb der FUEN, sowie auch die Lage der Nationalitäten in Ungarn und wies auf die Relevanz der Pflege der Nationalitätenidentität hin: „Die Person wird in erster Linie durch ihre Muttersprache, ihre muttersprachliche Kultur bestimmt. Über diese Identität hinaus kann man natürlich auch durch weitere Identitäten gekennzeichnet sein. Diese können jedoch nicht gewichtet werden, denn mehrere Identitäten sind eindeutig eine Bereicherung. Sie bereichern und stärken die Person, die Gemeinschaft, die Region, und auch das Land.“

Schon zum 17. Mal wurde im Rahmen des Galaprogramms der Valeria-Koch-Preis an ungarndeutsche MittelschülerInnen für ihre herausragenden schulischen Leistungen und ihre Tätigkeit im Nationalitätenbereich, bzw. an HochschulabsolventInnen für ihre Diplomarbeit über ein ungarndeutsches Thema überreicht. Die Auszeichnung erhielten diesmal Balint Cziráki aus Wesprim (Schüler des László-Lovassy-Gymnasiums Wesprim), Natalia Hedrich aus Tschatali (Schülerin des Ungarndeutschen Bildungszentrums Baja), Greta Kreisz aus Harast (Schülerin des Lajos-Kossuth-Gymnasiums Budapest), sowie Viktoria Nagy aus Neudörfl (Absolventin der Eötvös-Loránd-Universität Budapest).

Die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen vergab zum allerersten Mal der Otto-Heinek-Preis. Ziel der nach dem langjährigen, 2018 verstorbenen Vorsitzenden der LdU benannten Auszeichnung ist die Unterstützung von ungarndeutschen Wissenschaftlern und Forschern unter 40 Jahren. Der Preis wurde für exzellente Dissertationen bzw. wissenschaftliche Publikationen über ein ungarndeutsches Thema verliehen. Die ersten Preisträger sind: Dr. Helmut Herman Bechtel – seine Dissertation befasst sich mit den Repräsentationen des Fremden in der ungarndeutschen Gegenwartsliteratur sowie Dr. Beata Márkus – ihre Doktorarbeit behandelt die Deportation deutschstämmiger Zivilisten aus Ungarn in die Sowjetunion 1944/45.

Im Rahmen der Gala wurde auch die höchste Auszeichnung der Ungarndeutschen, die Ehrennadel in Gold für das Ungarndeutschtum an drei Persönlichkeiten überreicht. Die diesjährigen PreisträgerInnen sind:

Etele Horváth, ein bedeutender Repräsentant der ungarndeutschen Volkstanzbewegung, der sich seit fast 50 Jahren für die Pflege des Kulturerbes und der Volkstracht, sowie für die Gemeinschaftsbildung in dem Branauer Dorf Wemend aufopferungsvoll einsetzt. Etele Horváth gründete 1973 eine aus einer Kinder- und einer Erwachsenengruppe bestehende deutsche Tanzgruppe, welche er bis heute leitet, und von deren herausragendem Niveau unzählige Auftritte und Ehrungen zeugen. Die einstigen und gegenwärtigen Tänzerinnen und Tänzer haben sich zu bewussten und stolzen Pflegern der ungarndeutschen Traditionen entwickelt, wurden in ihrer Nationalitätenidentität ganz besonders gestärkt, und vererben diese Werte auch an ihre Kinder weiter. Etele Horváth war mehr als 30 Jahre lang als Leiter des Gemeindehauses, des kulturellen Zentrums des Dorfes tätig, und ist auch derzeit Vorstandsmitglied der Tanzsektion des Landesrates Ungarndeutscher Chöre, Kapellen und Tanzgruppen.

Maria Lang, eine herausragende Persönlichkeit der ungarndeutschen Kindergartenpädagogik. Sie arbeitete 25 Jahre lang im Kindergarten ihres Heimatortes Bogdan, währenddessen betreute sie als Fachinspektorin die ungarndeutschen Kindergärten in den Komitaten Pest, Naurad, Bekesch sowie der Hauptstadt, war als Deutschreferentin des Pädagogischen Landesinstituts für die Kontakte zwischen ungarischen und österreichischen Kindergärten, sowie als Fachberaterin für die deutsche Nationalität in Pest zuständig. Anschließend leitete sie einen ungarndeutschen Privatkindergarten, war als Fachinspektorin und Oberstudienrätin im Unterrichtsbezirk Mittelungarn-Budapest für den Unterricht „Deutsch als Nationalitätensprache“ zuständig. Nachher arbeitete sie als Expertin für deutsche Kindergartenpädagogik beim Landesdienstleistungsinstitut für Pädagogik. Mithilfe des teils von ihr gegründeten Vereins fördert sie in und um Budapest tätige ungarndeutsche PädagogInnen durch Informationen, Fortbildungen und Studienreisen.

Dr. Agnes Tóth, Historikerin, habilitierter Doktor, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Minderheitenforschungsinstituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und Leiterin des Stiftungslehrstuhls für Deutsche Geschichte und Kultur im südöstlichen Mitteleuropa an der Universität in Fünfkirchen. Sie stammt aus Akasztó, studierte in Segedin Ungarisch und Geschichte, arbeitete zunächst im Komitatsarchiv von Batsch-Kleinkumanien. Zu dieser Zeit wandte sie sich der Geschichte der Dörfer im 20. Jahrhundert zu, und begann, Forschungen in Bezug auf die Ungarndeutschen – insbesondere zu den territorialen Unterschieden der Vertreibung – anzustellen. Ihre diesbezüglichen Werke („Kolonisationen in Ungarn zwischen 1948-1948“; „Parteistaat und Nationalitäten 1950-1973“; „Heimgekehrte“; „Quellen zur Geschichte der Deutschen in Ungarn 1944-1953“) bedeuteten Meilensteine der einschlägigen Forschungen. Ihre wichtigsten Forschungsgebiete: die Geschichte Ungarns und Ost-Mittel-Europas im 20. Jahrhundert, insbesondere die Minderheiten dieser Region; national-ethnische Minderheiten Ungarns im 21. Jahrhundert; die Revolution von 1956, vor allem die Geschehnisse im Komitat Batsch-Kleinkumanien.

Das Galaprogramm gestalten auch heuer niveauvolle und preisgekrönte Ensembles der Ungarndeutschen: so das Total-Brass-Musikensemble, SchülerInnen (Emma Koczor, Hannes Gerner, Nikolett Tallér und Renata Megyesi) mit Mundartvorträgen, der Valeria-Koch-Jugendchor, die Tanzgruppe „Schaumarer Kinder“, die Jugendkapelle des Musikvereins Wetschesch, das Ensemble der Deutschen Bühne Ungarn, der Blumenstrauß-Chor, die Alte-Kameraden-Blaskapelle, die Tanzgruppe Fünfkirchen-Leőwey, sowie die Ritter Kapelle.

Die Veranstaltung wurde vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat unterstützt.

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