Theresia Szauter: „Schlüsselbegriffe meines Leitungsprogramms sind ’Tradition’ und ’Innovation‘“ – Die neue Institutionsleiterin des Ungarndeutschen Bildungszentrums Baja im Interview

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Was alles geschah von der Zeit, wo Sie erfahren haben, dass Gabriella Scherer abdanken möchte bis zu dem Moment, wo Sie erfahren haben, dass Sie die neue Institutionsleiterin von UBZ sein werden?

Mit Bedauern habe ich erfahren, dass Gabriella Scherer, unsere frühere Leiterin die Entscheidung getroffen hat, von der Leitungsposition zurückzutreten. Ich habe sehr gerne unter ihrer Leitung, mit ihr zusammengearbeitet. Dann kam natürlich die Frage: wie soll es weitergehen. Nach der Bewerbungsausschreibung der Trägerstiftung wurde ich ermutigt und habe Signale – unter anderem von unserem unlängst verstorbenen Vorsitzenden, Otto Heinek, sowie von Mitgliedern des Kuratoriums – bekommen, dass ich unterstützt werde, weil ich für diese Position geeignet sei. So habe ich schließlich meine Bewerbung eingereicht. Mein Antrag wurde vom Pädagogenkollegium, von den Eltern und der Schülerschaft begutachtet, und die positiven Rückmeldungen haben mich weiter ermuntert. Der letzte Schritt war, als die Mitglieder des Kuratoriums der Trägerstiftung, sowie die Vertreter der Gründer der Stiftung ihr Jawort gegeben haben und mich zur Institutionsleiterin gewählt haben. Das ist für mich eine große Ehre!

Welche waren die Schlüsselgedanken Ihrer Bewerbung?

Mein Leitungsprogramm ist eigentlich mit zwei Begriffen zusammenzufassen: „Tradition“ und „Innovation“. Die Hauptaufgabe des Ungarndeutschen Bildungszentrums ist, Traditionen und Sprache der deutschen Nationalität zu pflegen und weiterzugeben. Darüber hinaus bin ich bestrebt, das komplexe und in Ungarn einzigartige Bildungsmodell, all die guten Projekte und Methoden, die wir in den letzten Jahrzehnten im UBZ – auch als Deutsche Schule – ausgearbeitet haben, im Sinne der Tradition weiterzuführen, und durch Innovationen aufzufrischen.

Hat das Hajoscher Mädchen jemals davon geträumt, diese renommierte Schule einmal als höchste Chefin zu leiten?

Nein, auf keinen Fall! Für ein Schwabenmädchen war schon vom kleinen Dorf nach Baja, in eine Kleinstadt aufs Gymnasium zu kommen, ein großer Schritt. Der nächste Meilenstein war die Uni in Szeged, und die Frage, welchen Beruf ich wählen, wo ich arbeiten soll. Damals war ich ziemlich unsicher, ob ich es schaffen werde, in meiner früheren Schule zu arbeiten und das dort erforderliche Niveau als Lehrerin zu erreichen. Ich habe aber allmählich gelernt, wie ich mithilfe meiner Vorgesetzten und Kollegen meine Stärken erkennen und an meinen Schwächen arbeiten kann. Und das alles führte mit der Zeit dazu, dass ich nun Schulleiterin geworden bin.

Sie setzen sich bereits seit Jahrzehnten jeden Tag für das UBZ ein.

Was ist der Grund dafür, dass Sie dessen immer noch nicht müde sind – ganz im Gegenteil: dass Sie dies immer noch mit unheimlichem Engagement, mit ganz viel Liebe und aus immer höherer Position tun?

Einerseits, dass ich sehr gerne Pädagogin bin und mit Kindern, mit jungen Leuten arbeite. Andererseits meine ungarndeutsche Herkunft, meine Bindung an die Schule, und dass ich mich tagtäglich – sowohl im Unterricht, als auch beim Umgang mit Schülern und Kollegen – der deutschen Sprache bedienen kann. Und drittens spornt es mich immer wieder an, im Team neue Ideen dazu zu entwickeln, wie wir die Werte der Ungarndeutschen weitergeben können, wie wir dafür arbeiten können, dass wir uns auch als Deutsche Schule für die Modernisierung des Unterrichtes einsetzen können und unseren Schülern die besten Möglichkeiten zum Lernen und zur Kompetenzentwicklung bieten.

Wie war diese Bildungseinrichtung aus der Perspektive der Schülerin, später der Lehrerin, dann aus der Perspektive der ungarischen Leiterin der Schule, und wie ist sie nun von ganz oben?

Als Schülerin habe ich das deutschsprachige Gymnasium in Baja als eine fürsorgliche und sehr gute Gemeinschaft erlebt, wo man deutsch sprechen kann, wo man in der Tanzgruppe mittanzen kann, wo man mit den Mitschülern und Lehrern zusammen Spaß haben kann. Als ich als Lehrerin hier gearbeitet habe, hat sich die Schule enorm vergrößert, neue Perspektiven haben sich eröffnet. Ich habe es sehr genossen, dass ich mich an den vielen innovativen Initiativen beteiligen durfte. Es sind zum Gymnasium ein Kindergarten und eine Grundschule hinzugekommen, dann die deutsch-ungarische Abteilung und die Eröffnung des sechsjährigen gymnasialen Klassenzuges bzw. des Fachgymnasiums. Als Leiterin der Schule hatte ich vor allem die Aufgabe, meinen Kolleginnen und Kollegen zu ermöglichen, an Innovationen zu arbeiten, damit unsere Schule noch besser wird und sich damit auch zu einem attraktiven und begehrten Lernort entwickelt. Als Institutsleiterin ist das UBZ für mich nun eine Bildungsinstitution, die nicht nur zu den leitenden ungarndeutschen Zentren gehört, sondern auch in internationaler Hinsicht eine wichtige Institution ist. Unsere Schule verwirklicht nämlich ein europäisches Bildungsmodell, und wir arbeiten daran, dass sie diese Position auch künftig beibehält.

Das UBZ hat neulich wieder den ehrenvollen Titel „Exzellente Deutsche Auslandsschule“ erworben. Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass unsere Schule zu den 140 weltweit existierenden Deutschen Auslandschulen gehört. Daher müssen wir bestimmten deutschen Qualitätsanforderungen entsprechen, die fünfjährlich kontrolliert werden. Schon 2012 haben wir diesen ehrenvollen Titel erworben, wobei uns aber auch jene Gebiete aufgezeigt wurden, an denen wir noch zu arbeiten haben. Neulich war die zweite Qualitätskontrolle, die sogenannte Bund-Länder-Inspektion: das war eine einwöchige, sehr genaue Untersuchung unserer pädagogischen Arbeit, und auch diesmal haben wir das erforderliche Niveau erreicht, und darauf sind wir sehr stolz! Das bedeutet, dass unsere Institution auch aus deutscher Sicht eine hochwertige Arbeit leistet und auch weiterhin förderungswürdig ist. Ich möchte aber hinzufügen, dass wir auch den ungarischen Anforderungen entsprechen müssen, die wiederum von ungarischen Stellen unter die Lupe genommen werden. Sehr positiv an dieser Sache ist, dass wir gleichzeitig auch bei ungarischen Qualifizierungen immer gute Ergebnisse aufweisen.

Was für Projekte möchten Sie noch im ersten Jahr durchsetzen?

Über die kontinuierliche Qualitätsentwicklung hinaus haben wir in jedem Schuljahr zahlreiche laufende Projekte. Eines, das noch in diesem Jahr verwirklicht wird, möchte ich aber betont hervorheben: das Ulmer-Schachtel-Projekt mit dem ungarndeutschen Landeslehrpfad. Mithilfe vieler Förderer und Spender wird auf dem Hof unseres Bildungszentrums eine originalgetreue Ulmer Schachtel erbaut, die einerseits als eine Station des geplanten Lehrpfades, andererseits auch als Landesdenkmal der ungarndeutschen Ansiedlung, sowie als außerschulischer Lernort funktionieren wird. Es wird zurzeit nicht nur an der „Schachtel“ intensiv gearbeitet, sondern auch an dem pädagogischen Gedanken des Lehrpfades.

Was für Pläne haben Sie für die kommenden Jahre?

Sehr vielartige! Als ungarndeutsche Bildungseinrichtung und als Deutsche Auslandsschule wollen wir den Kindern und Jugendlichen die deutsche Sprache und ein europäisches Wertesystem weitergeben, und zwar so, dass das auch moderne Jugendliche anspricht. Dazu möchten wir noch mehr digitale Technik und moderne Methoden in den Unterricht mit einbauen. Wir arbeiten momentan daran, dass unser deutsch-ungarisches Abitursystem erneuert wird und weiterhin als ein sehr erfolgreiches Modell funktioniert. In den kommenden Jahren werden wir die sogenannte Deutsche Internationale Abiturprüfung einführen. Wir sehen auch weitere Möglichkeiten für die Weiterentwicklung unserer externen Abteilungen – der Mercedes-Benz-Schule in Kecskemét und der Bosch Schule in Miskolc –, zur Erweiterung dieses Modells, bzw. zur Zusammenarbeit mit deutschen Firmen, weil wir auch demnächst einen wichtigen Beitrag zur ungarisch-deutschen Zusammenarbeit in den Bereichen der Bildung und der Wirtschaft leisten möchten.

Wie sehen Sie die Zusammenarbeit zwischen der Trägerstiftung und der Bildungseinrichtung?

Diese Zusammenarbeit war von Anfang (1998) an, und ist auch derzeit sehr konstruktiv und effektiv. Die Trägerstiftung sorgt für die Voraussetzungen einer wertvollen und ungestörten Arbeit im Bildungszentrum. Im Stiftungsrat gibt es zurzeit personelle Änderungen. Wir freuen uns darüber, dass wieder ein ehemaliger UBZ-Schüler den Posten des Vorsitzenden des Kuratoriums bekleiden wird. Trotz der Umwälzungen hoffe ich auch weiterhin auf sehr gute Zusammenarbeit, denn unser Ziel ist das gleiche: die gute und qualitätsvolle Arbeit am Ungarndeutschen Bildungszentrum Baja zu sichern.

Berufliche Laufbahn von Theresia Szauter

1985: Abitur im Leo Frankel Deutschsprachigen Gymnasium Baja (Rechtsvorgänger des UBZ)

1990: Lehrerdiplom an der József-Attila-Universität Szeged, Fächer: Geschichte, deutsche Sprache und Literatur

ab 1989: Lehrerin für Geschichte und deutsche Sprache und Literatur, später auch für Volkskunde am Leo Frankel Gymnasium Baja

Leiterin der ungarndeutschen Volkstanzgruppe des Gymnasiums

1994-1995: Volkstanzlehrerkurs Kategorie C – Ungarndeutscher Volkstanz

2011-2012: Stellvertretende Direktorin im Gymnasium des UBZ

ab 2012 Direktorin der Einheitlichen Schule – Grundschule, Gymnasium und Fachmittelschule (ab 2016 Fachgymnasium) – des UBZ

ab 2016: Stellvertretende Hauptdirektorin des UBZ

Auszeichnungen

2017 „Für das Ungarndeutschtum im Komitat Bács-Kiskun“ vom Verband der Deutschen Selbstverwaltungen des Komitates Bács-Kiskun

„Für die Nationalitäten der Stadt Baja“ von der Abgeordnetenversammlung der Stadt Baja

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