Das Netz der ungarndeutschen Lehrpfade kann weiter ausgebaut werden

Die Vollversammlung der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen tagte auch im Sommer

Die Vollversammlung der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen tagte am 2. Juli in Budapest. Diesmal diskutierte das 47-köpfige Gremium auch diesmal teils Tagesordnungspunkte technischer Art, entschied aber auch über eine Reihe von relevanten Fragen. Neben den Bereichen Finanzen, laufende und geplante Investitionen, Bildung und Kultur werden in diesem Jahr zwei weitere ungarndeutsche Lehrpfade, und zwar in Moor und Seksard eingerichtet. Wie bekannt, wurden bisher auf Initiative und unter der Schirmherrschaft der LdU mit finanzieller Unterstützung aus Deutschland insgesamt 11 Ortslehrpfade und ein Landeslehrpfad errichtet – alle mit dem Ziel, die Geschichte und Gegenwart einer kleineren oder größeren ungarndeutschen Gemeinde zu erzählen.

Mit traurigen Momenten begann die Tagung der Vollversammlung: Die Mitglieder gedachten eine Schweigeminute lang Dr. Dorottya Lakatos-Schilling, einem kürzlich verstorbenen ehemaligen Mitglied des Gremiums.

Vor der Behandlung der Tagesordnungspunkte wurde Alfred Manz mit dem Jakob-Bleyer-Preis, einer prestigeträchtigen Anerkennung der Jakob Bleyer Gesellschaft ausgezeichnet. Der Preis wird an Personen verliehen, die sich in vorbildlicher Weise für die ungarndeutsche Gemeinschaft eingesetzt haben oder einsetzen und damit die Erhaltung und Weitergabe der Sprache und Kultur der deutschen Nationalität in Ungarn unterstützen bzw. unterstützten, betonte Nelu Bradean-Ebinger, der die Plakette überreichte.

Anschließend würdigte LdU-Vorsitzende Ibolya Hock-Englender die hingebungsvolle Arbeit von Ildikó Tóth-Szabó: Die Wirtschaftsleiterin ist seit 25 Jahren bei der Landesselbstverwaltung tätig.

Mit der Änderung des diesjährigen Haushaltsplans und der anschließenden Änderung mehrerer grundlegender Dokumente, einschließlich der LdU-Geschäftsstelle, und der LdU-Bildungseinrichtungen, nämlich des Valeria-Koch-Schulzentrums in Fünfkirchen, des Deutschen Nationalitätengymnasiums in Budapest, des Friedrich-Schiller-Gymnasiums in Werischwar, sowie der Trägerstiftung der Audi-Hungaria-Schule, begann die Sommersitzung des höchsten Entscheidungsgremiums der ungarndeutschen Gemeinschaft. Die Vollversammlung änderte auch die Vorschriften über das Vermögen, die Verwendung des Vermögens und die Ausübung der Eigentumsrechte am Vermögen der Landesselbstverwaltung.

Auf diese technischen Maßnahmen folgten Kardinalfragen. Mit einstimmigem Beschluss hat das Gremium den bereits vor Jahren verabschiedeten Kriterienkatalog, den ungarndeutsche Selbstverwaltungen, die deutsche Nationalitätenbildungseinrichtungen übernehmen wollen, sowie die Einrichtungen selbst erfüllen müssen, weiter präzisiert. Als neues Kriterium wurde die Bedingung formuliert, dass sich alle übernommenen Kindergärten verpflichten müssen, das so genannte Konzept „eine Sprache – eine Person“ einzuführen. In der Praxis bedeutet dies, dass in einer zweisprachigen Kindergartengruppe eine Erzieherin konsequent Ungarisch und die andere Deutsch verwendet. Wie bekannt, kann die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen der Übernahme der Trägerschaft einer Einrichtung zustimmen oder auch nicht, um ein hohes Niveau der deutschen Nationalitätenbildung zu gewährleisten. Derzeit gibt es insgesamt 67 Kindergärten und Schulen, die von lokalen deutschen Nationalitätenselbstverwaltungen getragen werden.

Das Entscheidungsgremium hat die Anzahl der Klassen festgelegt, die im nächsten Schuljahr in den von der LdU getragenen Bildungseinrichtungen eingerichtet werden. Insgesamt 2.000 Kinder und Jugendliche werden ab September in den genannten Institutionen in Fünfkirchen, Budapest und Werischwar das Schuljahr beginnen.

Wie üblich, berichteten Vorsitzende Ibolya Hock-Englender und stellvertretende Vorsitzende Olivia Schubert der Vollversammlung über die wichtigsten Ereignisse und Errungenschaften des Zeitraums seit der letzten Sitzung. Der Bericht ergab, dass mit Unterstützung der LdU-Mitarbeiter umfangreiche Gespräche über die diesjährigen gemeinsamen Programme mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat geführt wurden und die Abrechnung der im letzten Jahr mit deutschen Mitteln durchgeführten Projekte größtenteils abgeschlossen ist. Es wurde berichtet, dass die Zusammenarbeit mit ungarndeutschen Pädagogenausbildungseinrichtungen im Hinblick auf Initiativen, die durch das Stipendienprogramm für angehende Nationalitätenpädagogen finanziert werden sollen, begonnen hat. Der Vorstand wurde auch darüber informiert, dass derzeit eine Praktikumsstelle bei der LdU und eine neue Stelle beim Ungarndeutschen Pädagogischen und Methodischen Zentrum der Landesselbstverwaltung frei ist. Die beiden Leiterinnen betonten, dass eine Untersuchung des ungarischen Rechnungshofs über die Finanzierung des Parlamentswahlkampfs läuft. Im vergangenen Zeitraum fanden eine Reihe bedeutender Veranstaltungen statt, darunter die vom Januar verschobene Landesgala zum Tag der Ungarndeutschen Selbstverwaltungen, das Landesfinale des Rezitationswettbewerbs, die Einweihung des nach dem verstorbenen Vorsitzenden der LdU, Otto Heinek, benannten Veranstaltungsraums im Haus der Ungarndeutschen in Budapest, die Otto-Heinek-Nachwuchskonferenz mit Beteiligung junger Wissenschaftler sowie eine hochrangige Verhandlung zwischen der Leitung der LdU und der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn. Die Mitglieder der Vollversammlung wurden auch darüber informiert, dass auch eine ungarndeutsche Mannschaft am Minderheiten-Fußballturnier „Europeda” in Kärnten teilnimmt. Die Infrastrukturinvestitionen und -vorbereitungen der LdU wurden fortgesetzt: Die zweite Etappe der Dachsanierung des Schiller Gymnasiums wird mit Hilfe staatlicher Mittel in Angriff genommen, die vollständige Rekonstruktion des Lenau Hauses in Fünfkirchen sowie die Teilmodernisierung des Deutschen Nationalitätengymnasiums in der Hauptstadt werden in Kürze beginnen, und die vollständige Modernisierung des Deutschen Hauses in Wesprim wird voraussichtlich noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Emmerich Ritter, ungarndeutscher Parlamentsabgeordneter stellte ebenfalls die Ergebnisse seiner Arbeit seit der letzten Sitzung vor. Neben der Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen und Treffen mit Politikern und verschiedenen Gremien sei sein Arbeitsbesuch in Berlin Anfang Juni zusammen mit Staatspräsidentin Katalin Novák ein wichtiges Ereignis gewesen. In der zweiten Junihälfte sprach er im Parlament dreimal zwanzig Minuten lang über das Haushaltsgesetz 2023. Im Namen des Nationalitätenausschusses beklagte er sich darüber, dass der Zentralhaushalt für das kommende Jahr fast 500 Millionen Forint weniger für die Unterstützung der Nationalitäten vorsieht als in diesem Jahr, während beispielsweise die erwarteten Ausgaben für öffentliche Bildungs- und Kultureinrichtungen, die von den Selbstverwaltungen der Nationalitäten getragen werden, erheblich steigen werden. 

Die Vollversammlung stimmte auch über das Programm der Spielzeit 2022/23 der Deutschen Bühne Ungarn (DBU) in Seksard ab. Das Theater bereitet fünf Premieren vor: einen musikalisch-literarischen Abend, eine Schultheaterproduktion mit einem Kriegsthema, ein Märchen, ein klassisches Drama und eine Komödie. Acht ältere Stücke werden im Repertoire bleiben. Zu den sechs bestehenden Taschentheaterstücken wird ein neues hinzukommen.

Der um Experten erweiterte Bildungsausschuss hat bei der Entscheidung, in welchen Gemeinden Ungarns ein neuer deutscher Lehrpfad eingerichtet werden könnte, mehrere Aspekte berücksichtigt. Die Bewerbungen der ungarndeutschen Selbstverwaltungen von Moor und Seksard wurden aufgrund ihrer Qualität, der Kohärenz der ungarndeutschen Thematik, der Präsentation ortsspezifischer Inhalte, der Nachhaltigkeit und Aktualität der gewählten Methoden, der Zusammenarbeit mit lokalen deutschen Organisationen und Institutionen sowie der Aktivität der Nationalitätenselbstverwaltung im öffentlichen und kulturellen Leben ausgewählt. Auf der Grundlage des Vorschlags des Ausschusses stimmte die Vollversammlung für die Schaffung neuer Themenwege in Seksard unter dem Motto „Auf den Spuren der Schaffenskraft unserer Ahnen“ und in Moor unter dem Motto „Gute Trauben können guten Wein ergeben“, die von Deutschland mit maximal 18.000 Euro unterstützt werden.

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